Der No. 3 Troop in Zahlen

Die Stärke des No. 3 Troop des No. 10 (Inter-Allied) Commando – das selbst rund um die 1000 Soldaten umfasste – betrug wie bereits erwähnt 87 Mann. Vor allem nach den herausfordernden Kämpfen in der Normandie im Sommer 1944 wurden Verluste aufgefüllt, sodass im Laufe des Kriegs rund 141 Soldaten – die genauen Zahlen lassen sich wohl nicht feststellen – in ihm dienten. Darunter befanden sich – ausgehend von der Auswertung der verfügbaren Quellen sowie der Definition des zuvor bereits erwähnten Ernest Wilder Spaulding, wonach vor 1918 unabhängig vom Geburtsort nur jene Personen als Österreicher gelten, die sich an der deutschen Sprache und Kultur orientierten und Wien oder andere deutsche Kulturzentren der Monarchie als ihre spirituelle Zentren und emotionalen Lebensmittelpunkt betrachteten – nachweislich 28 Österreicher. Diese lassen sich in vier Gruppen einteilen: (1) 14 Soldaten, die mehr oder weniger das gesamte Commando-Training absolvierten und danach auch in den Kampfeinsatz gingen; (2) sechs Soldaten, die lediglich die Ausbildung absolvierten bzw. in der Verwaltung tätig waren, jedoch keinen Kampfeinsatz absolvierten; (3) fünf Soldaten, die später zum Trupp stießen und daher keine oder nur eine kondensierte Ausbildung in Großbritannien erhielten, dennoch in den Einsatz geschickt wurden; (4) drei Soldaten, die direkt am Mittelmeerkriegsschauplatz für den Einsatz in Italien rekrutiert wurden und ebenfalls keine Ausbildung auf den britischen Inseln absolvierten. Unter diesen befindet sich übrigens neben dem Wiener Walter Burnett alias Walter Inländer und dem in Budapest geborenen, aber in Oberwart aufgewachsenen Anthony Anderson alias Antal Török mit einem am 16. Mai 1915 geborenen Österreicher mit Namen „W. Martin“ der einzige Soldat im No. 3 Troop österreichischer Herkunft, dessen Geburtsname und damit exakte Identität (bislang) aufgrund des Fehlens seines Dienstakts nicht festgestellt werden konnte. Es ist durchaus denkbar, dass sich hinter ihm gar kein Flüchtling verbirgt, sondern ein in Nordafrika gefangen genommener Wehrmachtssoldat, der aufgrund seiner Fähigkeiten im Frühjahr 1943 in das Pioneer Corps aufgenommen worden war.

Zu der oben genannten Gruppe von 28 Soldaten kommen weitere neun Österreicher, die laut Kameraden, Angehörigen und Bekannten ebenfalls im No. 3 Troop dienten bzw. Berührungspunkte mit diesem hatten, etwa durch gemeinsames Training. Für ihre Zugehörigkeit zur Einheit gibt es jedoch keinen finalen Beweis, da ihre Dienstakten, sofern sie bereits vom Verteidigungsministerium an das Nationalarchiv überstellt worden sind, noch verschlossen sind. Zu ihnen zählt der eingangs erwähnte Otto Posamentier ebenso wie der während des Einsatzes mit dem No. 6 Commando am 6. Juni 1944 in der Normandie gefallene Wiener Frederick Fletcher alias Friedrich Fleischer, dessen zwei Schwestern übrigens im Auxiliary Territorial Service dienten, der Frauenabteilung der britischen Armee – dass er offensichtlich und anders als alle anderen das East Surrey Regiment bzw. das Worchester Regiment als Tarneinheit hatte, spricht wohl eher gegen seine Zugehörigkeit zum No. 3 Troop. In vier Fällen – bei Posamentier sowie bei George Fairbanks (Ernst Kurzweil), Peter Leigh-Bell (Hans Liebel) und Kenneth Reynolds (Kalmann Regenbogen) – wurden allerdings Kommando-Dienstnummern ausgestellt, womit ein zumindest kurzzeitiger Aufenthalt beim Trupp denkbar ist. Lediglich für George Bower (Georg Bauer) und beim ehemaligen Buchenwald-Häftling Frederick Spencer (Fritz Pfeffer) lassen sich bis auf die Nennung im Buch von Peter Leighton-Langer keine weiteren Hinweise für eine mögliche Kommandotätigkeit finden. Bei dem ebenfalls mit dem Trupp in Verbindung gebrachten Otto Karminski dürfte es so gewesen sein, dass er möglicherweise nur mit diesem trainiert hatte oder für ihn in Erwägung gezogen worden war; Karminski, der statt einem englischen Namen nur den Spitznamen „Putzi“ führte, landete jedenfalls bei der SOE.

Zudem findet sich in den Beständen des Kriegsministeriums eine Liste aus dem August 1944 mit 15 Namen von zu diesem Zeitpunkt in einem Kriegsgefangenenlager stationierten Soldaten. Diese hatten offensichtlich Erfahrung als Skilehrer und wurden als Verstärkung für das No. 10 (Inter-Allied) Commando in Betracht gezogen, ob lediglich als Trainingspersonal oder als tatsächliche Commandos angesichts der zu erwartenden Einsätze im gebirgigen Terrain des Deutschen Reichs und Norditaliens ist allerdings unklar – möglicherweise spielte das No. 10 (Inter-Allied) Commando mit dem Gedanken, eine kleine Skieinsatztruppe auf die Beine zu stellen, wobei man mit Geoff Broadman und auch Ian Harris bereits exzellente Trainer gehabt hätte. Unter den 15 Männern befanden sich neben dem Wiener Peter Pearce alias Peter Pirquet, der im September 1944 in die Einheit aufgenommen wurde, weitere sechs Österreicher, denen dies offensichtlich nicht gelang. Zu erwähnen sind schließlich noch zwei Österreicher, die zwar im No. 10 (Inter-Allied) Commando dienten, allerdings nicht im No. 3 Troop, sondern im Fall des nach dem „Anschluss“ zunächst nach Paris geflohenen und in der Fremdenlegion kämpfenden Jean Gauthier alias Otto Zivohlava bei den Franzosen und im Fall von Kenneth Clarke – warum auch immer, die verfügbaren Quellen schweigen hierzu – wie erwähnt bei den Niederländern.

Die in Erfahrung gebrachten persönlichen Daten ermöglichen zudem eine Reihe von weiteren Auswertungen. So wurden drei Viertel der tatsächlich im Trupp dienenden 28 Österreicher in Wien geboren. Ausnahmen sind abgesehen von W. Martin, dessen Geburtsort unbekannt ist, lediglich Garvin (Bukarest), Fuller (Czernowitz), Kirby (Bohorodczany), Laddy (Prag), Anderson (Budapest) und Hamilton (Sambir), aber auch sie verlagerten aus beruflichen oder privaten Gründen früher oder später ihren Lebensmittelpunkt nach Wien.

Ebenso einseitig wie die geografische Herkunft ist die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von jüdischen und nicht-jüdischen Soldaten. Von den 28 Österreichern im No. 3 Troop waren zumindest 20 und damit über 70 Prozent jüdisch. Bei weiteren sechs Personen geben die Quellen keinen eindeutigen Aufschluss, doch es ist anzunehmen, dass sich auch unter ihnen Juden befinden, der Anteil der jüdischen Soldaten also noch höher ausfällt. Gesichert nicht-jüdisch waren lediglich der oben erwähnte Peter Pearce, der allerdings erst später zum Trupp stieß, sowie (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) George Bryan Streets alias Georg Alexander Barth, der am 29. Juni 1944 während der Ausbildung zum Offizier in Großbritannien bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Streets war damit einer von insgesamt sechs – fünf davon im Einsatz – „österreichischen“ Toten, die der Trupp zu verzeichnen hatte – den wie erwähnt beim No 6. Commando dienenden Frederick Fletcher nicht mitgezählt. Geht man davon aus, dass wie von Hilton-Jones nach Kriegsende vermerkt insgesamt 16 Angehörige des No. 3 Troop getötet und 22 teilweise mehrfach verwundet – detailliert sind in den Akten nur die schweren Fälle verzeichnet, die wie bei Streeten oder Terry zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Trupp führten – wurden, fiel die sogenannte „Casualty Rate“ aus Toten und Verwundeten sowie den in Gefangenschaft Geratenen mit knapp 50 Prozent weitaus höher aus als etwa bei konventionellen Infanteriefeinheiten der britischen Armee.

Bei der Altersstruktur reichte die Bandbreite vom Jahrgang 1911 bis zum Jahrgang 1924. Die Ausnahme bildeten hierbei nur die beiden 1903 geborenen Ernest Langley und Michael Kirby, die jedoch wie erwähnt in administrativer Funktion für den Trupp tätig waren. Das vermag nicht zu erstaunen, denn jugendliche Fitness und Ausdauer waren für die Arbeit des Trupps unverzichtbar. Insofern erscheint es nicht seltsam, dass es der 1905 geborene Francis Sutton (Franz Schulhof) trotz seines offensichtlichen Enthusiasmus – er hatte sich bereits 1938 sowie 1939 erfolglos zur britischen Armee gemeldet und nach erneuter freiwilliger Meldung für Special Services ab 1943 an einer Special Training School der SOE eine Fallschirmspringer- sowie Kommandoausbildung absolviert, ehe er zum Pioneer Corps zurückkehrte –nicht in die Einheit schaffte. Auch von den oben erwähnten Skilehrern wurde nur der 1912 geborene Peter Pirquet und damit einer der beiden Jüngsten aus dieser Gruppe in den No. 3 Troop aufgenommen – für den Rest der zwischen 1901 und 1908 Geborenen ebenso wie für den gebürtigen Kitzbüheler William Kennedy (Wolfgang Kals), ebenfalls Jahrgang 1912, findet sich in den verfügbaren Quellen wie den Dienstakten kein Beleg für eine Tätigkeit mit oder für die Kommandoeinheit. Bei Ältesten der Gruppe, dem 1901 geborenen Otto Mandel, spielte jedoch nicht nur das Alter eine Rolle. Er hatte schon beim Eintritt in das Pioneer Corps erklärt, aus Angst vor einer Gefangennahme und der daraus entstehenden Konsequenzen für seine in Wien und der Slowakei zurückgebliebenen Verwandten nicht in Übersee dienen zu wollen, und kam damit für eine Verwendung beim No. 3 Troop ohnehin nicht in Frage. Sofern Mandel seine Meinung später nicht änderte, spricht dies möglicherweise dafür, dass diese Gruppe von Skilehrern – zusätzlich zu den bereits Erwähnten noch Franz Beh, John Bloom alias Hans Blum sowie Wilhelm Vollbracht – tatsächlich nur als Trainingspersonal in Betracht gezogen wurde und sich Pirquet im Zuge dessen um eine Aufnahme in den Trupp bewarb. Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass es die vormals im Pioneer Corps dienenden Männer, wenn auch nicht zu den Commandos, dann doch in das Intelligence Corps schafften und dort Verwendung als Befrager von Kriegsgefangenen fanden – eine einleuchtende Parallele zum großen Verbündeten jenseits des Atlantiks.

Zum nächsten Kapitel