Einsatz, Teil 1: Italien & Frankreich

Im Gegensatz zur Entstehung des No. 3 Troop gestaltet sich die Erforschung seines Einsatzes schwierig. Der Grund dafür ist, dass die Einheit nicht als geschlossene Formation tätig war und es daher auch kein Kriegstagebuch gibt, in der alle ausgeführten Operationen verzeichnet sind. Vielmehr gingen die Angehörigen des Trupps allein oder in kleinen Gruppen mit anderen Einheiten in den Einsatz. Es gibt auch kein zentrales Verzeichnis, das Aufschluss darüber geben kann, wer wann wo zu welchem Zweck aktiv war. Insofern ist die Dokumentation der operativen Phase größtenteils auf die Aussagen von Angehörigen des Trupps angewiesen. Das bringt ein weiteres Problem mit sich: In den verfügbaren Memoiren etwa von Peter Masters kommen vor allem Mitglieder – jedoch längst nicht alle – jener Gruppe vor, die im Herbst 1942 und im Lauf des Frühjahrs 1943 zum Trupp stießen. Die später aufgenommenen Männer wie die Anfang 1945 in Italien rekrutierten und den Commandos der No. 2 Special Service Brigade am mediterranen Kriegsschauplatz zugeteilten Soldaten werden darin nicht erwähnt, sodass deren Geschichte abgesehen vom Fakt, dass sie der Einheit angehörten, im Dunkeln bleibt.

Ebenso schwierig festzustellen ist der erste Einsatz des No. 3 Troop nach Operation Jubilee, dem Desaster von Dieppe. Peter Terry zufolge soll mit dem am 9. Juni 1900 in Petschau, damals Österreich-Ungarn, geborenen Richard Leonard alias Richard Lehniger ein Angehöriger des Trupps bereits Mitte September 1942 an Operation Aquatint teilgenommen haben, die vom No. 62 Commando, auch bekannt als Small Scale Raiding Force (SSRF), durchgeführt wurde und ebenso in einer Katastrophe endete. Beim Versuch, Informationen über die Gegend für eine potenzielle Invasion einzuholen, wurden drei der insgesamt elf bei Saint-Laurent-Sur-Mer an Land gegangenen Soldaten, auch Leonard, bei einem Feuergefecht getötet, nachdem sie von einer deutschen Patrouille entdeckt worden waren. Der Rest wurde noch am Strand – Teil des D-Day-Abschnitts „Omaha“ – oder später auf der Flucht gefangengenommen, nur ein auf dem Landungsboot verbliebener Offizier kam unverletzt davon.

Die Frage, ob der im Hof einer Kirche in Saint-Laurent-Sur-Mer bestattete Leonard tatsächlich ein Mitglied des No. 3 Troop war, ist ob des Fehlens von detaillierten Personallisten schwierig zu beantworten. Wenn er es war, gibt es allerdings nur eine Erklärung: Er muss neben den fünf bei Dieppe eingesetzten Angehörigen des Trupps der sechste und bislang namentlich nicht bekannte Private gewesen sein, die wie zuvor erwähnt gemeinsam mit George Lane und Hilton-Jones selbst den Nukleus der Einheit bildeten. Für diese These spricht, dass Leonard wie die anderen fünf aus dem Sudetenland kam und wie der jüdische Sozialist Maurice Latimer als ebenfalls jüdischer Kommunist politisch weit links stand. Möglicherweise verhinderte sein fortgeschrittenes Alter – er wäre mit 42 der älteste der Gruppe gewesen – seinen Einsatz bei Dieppe. Es erscheint jedoch logisch, dass die verantwortlichen Planer im Combined Operations Headquarters bei Aquatint ein ähnliches Vorgehen wie zuvor bei Jubilee wählten und zumindest einen deutschsprachigen Soldaten dabeihaben wollten, denn ein Teil der Mission sah vor, eine deutsche Wache gefangen zu nehmen und zu verhören – und tatsächlich scheint Leonard der einzige Enemy Alien im Team gewesen zu sein. Der Ansprechpartner für die Bereitstellung eines solchen war der No. 3 Troop, und da mit Platt, Bate, Rice und Smith vier Männer tot oder verwundet waren bzw. vermisst wurden, standen Hilton-Jones außer Lane nur mehr Latimer und Leonard zur Verfügung, sodass die Wahl offensichtlich auf letzteren fiel. Dieser könnte angesichts der Tatsache, dass er bis zu seinem 18. Geburtstag in der Habsburger-Monarchie gelebt hatte, durchaus als deutschsprachiger (Kultur-)Österreicher gemäß der noch zu erläuternden Definition von Ernest Wilder Spaulding gelten, auch wenn er 1918 Staatsbürger der Tschechoslowakei geworden war. Dass er als Kommunist ein derartiges Denken in nationalen Schubladen allerdings ohnehin abgelehnt hatte, zeigt nicht zuletzt die Inschrift auf seinem Grabstein, die den Refrain des Kampflieds der sozialistischen Arbeiterbewegung zitiert: „Die Internationale wird die Menschheit sein“.

Weitere Missionen in der Art von Aquatint folgten in den nächsten Monaten, so zum Beispiel bereits im November 1942 ein erneut katastrophal endender Sabotageversuch des Wasserkraftwerks im norwegischen Vemork, in dem Schweres Wasser für den Bau einer Atombombe hergestellt wurde. Ob bei dieser Operation mit Namen Freshman allerdings tatsächlich ein Mitglied des No. 3 Troop – angeblich Geoff Broadman – dabei war, lässt sich aus den Quellen nicht herauslesen. Im Frühjahr 1943 wurde schließlich wie bereits erwähnt eine erste Abordnung des Trupps nach Algiers zur No. 2 Special Service Brigade geschickt, um dort an Operation Husky teilzunehmen, der alliierten Invasion Siziliens. Sie bestand aus vier Soldaten, darunter mit Paul Streeten ein Österreicher. Er wurde dem No. 41 (Royal Marine) Commando zugeteilt, mit dem er zuvor einen Monat lang trainiert hatte, und hatte die primäre Aufgabe, dieses als Dolmetscher und beim Verhör zu unterstützen. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1943 ging Streeten, bewaffnet mit einer Maschinenpistole vom Typ Thompson, der Tommy Gun, bei Punta Castellazo im Südosten Siziliens kurz nach Mitternacht und unter Feindbeschuss als Teil der ersten alliierten amphibischen Angriffswelle an Land. Nachdem sie den Stacheldraht durchschnitten hatte, bahnte sich seine Einheit den Weg durch die Dünen und konnte die italienischen Verteidiger des Strandabschnitts schließlich überwältigen. Für Streeten war es die persönliche Feuertaufe – von den Übungen in Schottland einmal abgesehen, bei denen mit scharfer Munition über die Köpfe der Männer hinweggeschossen worden war – und er überstand sie physisch unbeschadet. Wenig später verließ ihn jedoch das Glück. Nachdem er vorübergehend der Long Range Desert Group zugeteilt worden war, wurde er beim Versuch, den feindlichen Truppen den Rückzug nach Messina im Nordosten der Insel abzuschneiden, in der Nähe des Ätna von einer Granate schwer verwundet und nach Ägypten evakuiert.

Nach Streetens Ausfall, der in einem Militärkrankenhaus in Kairo um sein Leben kämpfte, danach nach England überstellt wurde und Anfang 1944 körperlich schwer beeinträchtigt aus der Armee ausschied, war die Abordnung des No. 3 Troop in Italien auf nur zwei Mann zusammengeschrumpft, da der beim No. 40 (Royal Marine) Commando eingesetzte Deutsche Colin Anson (Claus Ascher) ebenfalls schwer durch ein Schrapnell am Kopf worden war. So machten sich, während die in England gebliebenen Männer mit der Ausbildung in Eastbourne fortfuhren bzw. nach Littlehampton verlegt wurden, Anfang September 1943 weitere elf Angehörige des Trupps auf den Weg an den Mittelmeerschauplatz. Unter ihnen befanden sich der Wiener Steven Hudson (Stephan Hirsch) sowie Harold „Nobby“ Kendal (Günther Knobloch), von dem gelegentlich behauptet wird, ebenfalls Österreicher gewesen zu sein, der aber als gebürtiger Breslauer wohl eher Deutscher war. Er soll trotzdem kurz erwähnt werden, weil er später, im Winter 1943/44 in den Abruzzen, die erste, wenn auch nur kurzlebige, alliierte Skipatrouille in Italien auf die Beine respektive auf die Bretter stellte. Angeblich organisierte Kendal dafür einige alte Ski aus Kastanienholz sowie weiße Kutten aus einem Kloster und stattete damit den belgischen Trupp des No. 10 (Inter-Allied) Commando aus, dem er zugeteilt war. Er soll sich mit seinen Winterkriegern im Tiefschnee auf 1000 Meter Seehöhe sogar ein kurzes Scharmützel mit einer Gruppe österreichischer Wehrmachtssoldaten geliefert haben, die sich in einer Hütte verschanzt hatten, sich aufgrund der Witterung jedoch nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen haben.

Der No. 3 Troop blieb weiterhin in Italien aktiv, nahm mit Operation Flounced sogar an einer Mission jenseits der Adria auf der Insel Brac gemeinsam mit jugoslawischen Partisanen teil und rekrutierte weitere Soldaten direkt am Mittelmeerschauplatz, doch der Fokus lag ab dem Frühjahr 1944 auf Westeuropa. Dort waren die Raids auf den Atlantikwall eingeschränkt worden, um die deutschen Verteidiger nicht zu sehr zu alarmieren. Lediglich eine Reihe von kleineren Aufklärungsmissionen – die zu Beginn bereits erwähnte Operation Tarbrush – fand Mitte Mai 1944 noch statt, vier davon unter der Aufsicht durch Hilton-Jones von Dover aus. Ausgeführt wurden sie größtenteils von Angehörigen des No. 10 (Inter-Allied) Commando und des No. 3 Troop, die den Auftrag hatten, an Stränden in der Nähe von Dünkirchen bzw. der Somme-Mündung einen vermeintlich neuen Typ von Mine zu untersuchen bzw. erbeuten, der sich letztlich jedoch nur als gewöhnliche Tellermine herausstellte und somit die Invasionspläne der Alliierten nicht gefährdete. Die letzte dieser Missionen am 18. Mai mit einem „direct bearing on the final plans for ‚OVERLORD‘“, die sich in Vorbereitung befindliche Schlacht um die Normandie, wurde von George Lane kommandiert, der dabei allerdings in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Er wurde in weiterer Folge von Feldmarschall Erwin Rommel persönlich befragt und danach erst in der Nähe von Paris und später auf Schloss Spangenberg eingesperrt. Lane gelang es jedoch, seine wahre Identität zu verheimlichen und später freizukommen – doch den großen Tag, auf den der No. 3 Troop so lange gewartet hatte, sollte er verpassen.

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